Die Großfamilie am Bauernhof

21.04.2023, Elisabeth Freundlinger

Eltern, Kinder und Großeltern - womöglich noch ein Uropa und eine Tante - und alle wohnen unter einem Dach. Für Städter ist das oft nur schwer vorstellbar. Anders ist es auf dem Bauernhof. Um den über Generationen hinweg aufgebauten Besitz zu wahren und wegen der vielen Arbeit geht es oft gar nicht anders als im Großfamilienverbund. Dieses Lebensmodell ist nicht immer einfach und mit vielen Kompromissen verbunden. 

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Familie Prommegger  | © Bauernhof Neuhaus

Zu Mittag sitzen alle an einem Tisch!

Vor drei Jahren wurde dem Bethuberhof im Osttiroler Matrei der Erbhoftitel verliehen. Bei diesem feierlichen Anlass unter Anwesenheit von zwei Landeshauptmännern wurde eine lange Familientradition geehrt. Denn auf dem Bauernhof lieben vier Generationen unter einem Dach. Und nicht nur das - am Mittagstisch trifft sich regelmäßig die ganze Familie, insgesamt 9 Personen. Der tägliche Fixpunkt garantiert, „dass man sich net aus den Augen verliert“, erklärt Bauer Markus Steiner. „Und, dass wir über alles reden. Wenn‘s Unstimmigkeiten gibt, klären wir das immer gleich, weil man ja am nächsten Tag wieder am Kuchltisch zusammensitzen muss!“

Zurückstecken können

Bei Familie Steiner ist die Küche die Begegnungszone und das Herz des Bauernhofs. Nicht nur die Familie sitzt hier beisammen, sondern auch die Gäste - darunter viele Stammgäste, die bereits als Kinder kamen und nun schon selbst Großeltern sind. „Manchmal sind so viele Leute da, dass für uns kein Platz mehr ist!“, lacht Markus Steiner. „Aber so soll es sein. Wir mögen das!“ In den Gesprächen werden unterschiedliche Perspektive ausgetauscht und immer wieder staunen die Gäste über das gute Zusammenleben der Bauernfamilie. Bäuerin Desireé fügt hinzu: „Natürlich muss jeder auch zurückstecken können und sich anpassen. Das ist nicht immer leicht, aber es zahlt sich aus.

“„Ja“, sagt Markus. „Der Zusammenhalt ist für uns das Wichtigste. Wir hoffen sehr, dass es so bleibt.“
Wie auch die Generationen davor haben Desireé und Markus nach der Hofübernahme weiter ausgebaut - in ihrem Fall war das 2011 ein neuer Stall. In dem alten Gebäude haben sie ihre Wohnung eingerichtet. Jedes Kind hat sein Zimmer, so wie auch die Eltern, die Großeltern und der Uropa jeweils ihren eigenen Bereich haben. 

Jeder weiß, was er zu tun hat

Obwohl er sich inzwischen ein wenig zurückzieht, nimmt der 97-jährige Uropa Alois Steiner immer noch mit Begeisterung am Familienleben teil. „Wenn einmal einer nicht beim Mittagessen dabei ist, fragt er gleich nach!“, so Desirée und Markus. Einen wichtigen Teil der Arbeit tragen immer noch die Großeltern Gerlinde und Alois: der Opa im Stall beim Milchvieh, die Oma kümmert sich gemeinsam mit Desireé um die Gäste. Geputzt wird miteinander, da greifen auch die Männer zum Staubsauger. Opa Alois wechselt die Bettwäsche - jeder weiß, was er zu tun hat. Jeder packt mit an.

Jeden Tag kocht Oma Gerlinde Mittagessen. Und weil bei so vielen Leuten immer einer dabei ist, dem was nicht schmeckt, sind das täglich mehrere Gerichte. Notfalls gibt's halt ein Spiegelei. „Der Uropa ist ein Süßer, die Kinder lieben Pizza – aber jeder kommt einmal zum Zug.“

Am wichtigsten ist sowieso das Zusammensein. „Ich weiß schon, was unser nächstes Projekt ist“, lacht Desirée: „Den Kuchltisch ausbauen

„Ihr habt‘s euer Leben, wir unseres – und gemeinsam schauen wir nach vorn!“

Auch am Peiserhof im steirischen Eibiswald wird der Zusammenhalt in der Familie großgeschrieben. Bei Familie Strohmeier leben ebenfalls vier Generationen am Hof. Oma Maria, die vor 60 Jahren mit der Vermietung angefangen hat (und dafür seinerzeit noch belächelt wurde), ihr Sohn Josef mit seiner Frau Christa, die nun die Betriebsführer sind, deren Kinder Michael und Karin und deren Enkelkinder Leonie und Tobias. „Ich bin land- und forstwirtschaftlicher Meister, aber im Weingarten und Keller hat der Sohn das Sagen“, sagt Bauer Josef. Michael und seine Frau Karin haben beide die Weinbauschule absolviert und sind beide Meister der Weinbau- und Kellerwirtschaft. 

Eigene Bereiche

Die Arbeiten am Hof sind aufgeteilt: Christa kümmert sich um die Vermietung, Josef um die Landwirtschaft und das Büro, Michael ist der Chef im Weingarten und Karin ist die Spezialistin für das Marketing und den Vertrieb. Aber bei vielen anstehenden Arbeiten packt man gemeinsam an.
In diesem Sinne gibt es bei den Strohmeiers auch getrennte Wohnbereiche, aber ein gemeinsames Abendessen. „Wir teilen unseren Eingang mit den Gästen – mein Sohn Michael und Schwiegertochter Karin wohnen mit den Kindern Leonie und Tobias nebenan in ihrem eigenen Haus. Abends sitzt unsere Familie in der Küche beisammen, gleich nebenan essen die Gäste – wir bieten am Hof ja Halbpension an.“ 

Die Gäste vom Peiserhof wundern sich immer, wie gut das Miteinander am Hof klappt, trotz der vielen Arbeit. „Wir Eltern müssen halt unsere Freude am Tun weitergeben. Wenn man am Tag bis zu 17 Stunden arbeitet, ist das ein wichtiger Faktor,“ erklärt Josef.

Zur positiven Sicht auf das Leben kommt auch die Dankbarkeit. Oma Maria kennt die Kehrseite der vielen Arbeit nur zu gut. Früher war sie manchmal schon sehr verzweifelt. Als mit Christa eine liebe Schwiegertochter in Haus kam, wurde vieles leichter. Christa Strohmeier, inzwischen an der Seite ihres Mannes Betriebsführerin, hat sich mit ihrer herzlichen Art schon lange als „gute Seele“ vom Peiserhof etabliert. Die gelernte Schneiderin hat die Kocherei für so viele Leute von der Schwiegermutter gelernt. Und das ist wahrscheinlich auch das Geheimrezept der Strohmeiers: Man nimmt den gegenseitigen Rat an und man nimmt Rücksicht aufeinander. „Es fällt nie ein schiefes Wort“, sagt Oma Maria zufrieden.

In guter Nachbarschaft

„Wir sind hier drei Generationen, leben aber nicht direkt zusammen, sondern in zwei benachbarten Häusern. Auch die Vermietung betreiben wir getrennt. Dabei helfen wir einander natürlich immer aus. Aber es ist uns wichtig, dass Jung und Alt ihre eigenen Bereiche haben.“

Stefanie Prommegger vom Bauernhof Neuhaus in Hüttschlag im Salzburger Großarltal ist gelernte Kindergärtnerin. Als sie ihren Rupert kennenlernte, wusste sie von Anfang an: Den Mann gibt’s nur mit Hof. Vor zehn Jahren zog sie zu ihm und ist seither Bäuerin und Vermieterin. „Es war schon eine große Umstellung und hat eine Zeit gedauert, bis ich richtig in diese Welt eingetaucht bin. Zum Glück bin ich von Ruperts Familie mit offenen Armen aufgenommen worden.“

Die Jungbäuerin wurde ermutigt, ihre eigenen Ideen zu entwickeln und einzubringen. Und so kam, dass der Schwiegervater einen Hühnerstall baute!

Ein gutes Gefühl, dass man sich aufeinander verlassen kann

Was schätzt die junge Bäuerin am Konzept der Großfamilie? „Jeder packt an, wo es passt und wo er gebraucht wird. Das gibt allen ein gutes Gefühl. Wir können uns aufeinander verlassen. Natürlich gibt es wie überall auch Reibereien, aber das gehört dazu und man kann alles ausreden und immer wieder voneinander lernen – wenn man will. Das gibt den Kindern ein gutes Vorbild. Die beiden (2 und 5 Jahre alt) sind sowieso da wie dort daheim. Wenn wir im Sommer auf dem Feld arbeiten, ist immer jemand da, der sich um die Kleinen kümmert. Weil wir einen gemeinsamen Spielplatz haben, verschwimmen die Grenzen zwischen den Generationen ganz automatisch.“

Gegenseitige Wertschätzung

Worauf es ankommt, ist die Bereitschaft zum Miteinander. Familie Hagspiel vom Vorarlberger Baby- und Kinderbauernhof Dürlinde in Hittisau lebt dieses Konzept ihren Gästen vor. Die staunen mitunter über die Harmonie zwischen Jung und Alt und nehmen sich dieses Miteinander gern zum Vorbild.

„Wir werden oft darauf angesprochen und tatsächlich scheinen wir so manche unserer Gäste zu inspirieren", sagt Anna Hagspiel nachdenklich. „Wir haben vier Ferienwohnungen und vor dem Haus steht ein schöner, großer Tisch. Da kam bei einigen Gästen schon die Idee auf, das nächste Mal mit der erweiterten Familie anzureisen. Es ist ja auch toll: Jeder hat seinen eigenen Wohnbereich, aber man kann zum Essen und Reden zusammensitzen." 

Am Hof der Hagspiels leben drei Generationen. „Die Schwiegereltern, mein Mann und ich und unsere drei Kinder", erzählt Anna Hagspiel. Vor zehn Jahren kam die gelernte Kindergärtnerin auf den Hof und wurde dort gleich herzlich aufgenommen. „Meine Schwiegermutter ist ein offener, begeisterungsfähiger Mensch, sie hat mir von Anfang an das Gefühl gegeben, dazuzugehören", sagt Anna. Die Jungbäuerin weiß, dass dies nicht selbstverständlich ist. Ein friedliches Miteinander ist so wertvoll wie eine gute Hoflage - auch hier sind die Hagspiels vom Schicksal begünstigt. Der Milchwirtschaftsbetrieb liegt in Rundlage, ringsum sind nichts als Wiesen.

Viele Neuerungen

Am Ferienhof Dürlinde hat sich in den letzten zehn Jahren viel getan. „Wir sind gefühlt zehn Jahre am Bauen!", lacht Anna Hagspiel.

Die Spezialisierung zum Baby- und Kinderbauernhof hat noch die Schwiegermutter durchgezogen - dass die künftige Jungbäuerin Anna vom Fach war, hat die Entscheidung sicherlich günstig beeinflusst. Nach der Hofübernahme durch die jüngere Generation wurden ein Hühnerstall für 150 Hühner errichtet, ein großer Spielraum für die Kinder - Gästekinder wie die eigenen - und zuletzt kam noch das Hof-Lädele dazu, in dem Anna eigene Hofprodukte, unter anderem selbstgemachtes Joghurt, anbietet. 

Wie läuft bei euch die Arbeitsteilung zwischen den Generationen?

„Als ich neu am Hof war, haben die Schwiegermutter und ich viele Arbeiten gemeinsam gemacht - so bin ich gut in alles hineingewachsen. Mittlerweile sind die Schwiegereltern im Pensionsalter und da soll es auch so sein, dass sie endlich ihre verdiente Freizeit genießen. Wenn wir Hilfe brauchen, sind sie aber sofort für uns da. Auch bei der Kinderbetreuung bin ich sehr froh um die Unterstützung. Aber ganz besonders schätze ich unseren Gedankenaustausch. Ich weiß, ich kann immer zu meiner Schwiegermutter gehen und ihr meine Ideen erzählen. Manchmal verfliegen sie, manchmal bleiben sie und wir entwickeln sie gemeinsam weiter. Es ist einfach schön wenn man gehört wird." Das betrifft auch die Reibungspunkte. „Ich glaube, es ist wichtig, ehrlich zu sein und auch Kleinigkeiten anzusprechen - ansprechen zu dürfen. Dann staut sich nichts auf und Probleme werden gelöst, bevor sie zu viel Gewicht bekommen." 

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Elisabeth Freundlinger
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